Im Juni 2021 wurden im Nordburgenland zwei Kaiseradler-Geschwister, Johannes und Artemisia, von BirdLife Österreich mit einem Satellitensender ausgestattet. Das dritte Geschwisterchen erhielt einen Ring. Während Johannes aufgrund einer Kollision mit einem Windrad im Weinviertel verstarb, hat sich Artemisia auf eine Reise durch ganz Europa begeben: Nach einer Überwinterung am griechischen Festland ist sie über Österreich nach Luxemburg und Frankreich geflogen, um zurück in ihrem Geburtsland im Burgenland von einer Kugel illegale getötet zu werden.
„Auf ihrer langen Reise durch Europa wurde Artemisia von der Öffentlichkeit mit großem Interesse begleitet, aber kaum zurück in ihrer Heimat wurde sie auf derart brutale Weise umgebracht! Das ist traurig und blamabel, weil sich zeigt, dass illegale Greifvogelverfolgung in Österreich nach wie vor ein großes Thema ist.“
Matthias Schmidt von BirdLife Österreich
Artemisias Europareise
Gegen Mitte Oktober ging es für Artemisia los: der Adriatischen Küste entlang flog sie bis nach Nord-Griechenland und hatte dabei gute 3.735 Kilometer zurückgelegt. Nachdem sie Anfang Dezember dort ankam, hat sie ein paar sonnige Monate auf Zakynthos und am Ionischen Meer verbracht, wo sie auch von einem griechischen Vogelfreund fotografiert wurde.
Der "Urlaub" war dann am 8. März zu Ende, als sich der Kaiseradler dazu entschloss, nach Österreich zurückzukehren.
In Österreich angekommen war die Reise aber nicht zu Ende: Nach einem kurzen Aufenthalt in Österreich ist sie über Tschechien und Deutschland in die Niederlande, über Belgien nach Luxemburg und schlussendlich weiter nach Frankreich geflogen ist. Für Luxemburg war dies eine Sensation. Es handelte sich um die erste nachgewiesene Beobachtung eines Kaiseradlers überhaupt! Nach einer etwas längeren Erkundung Frankreichs flog Artemisia über den Süden Deutschlands wieder zurück nach Österreich.
Tathergang & Tatort
Bereits kurz nach ihrer Rückkehr, am 5. Mai wurde der Kaiseradler in der Gemeinde Zurndorf im Nordburgenland schwerstverletzt aufgefunden und von Mitarbeiter*innen des Nationalparks Neusiedler See-Seewinkel zu der von den "Vier Pfoten" geführten Eulen- und Greifvogelstation Haringsee (EGS) gebracht. Aufgrund der Schwere der Verletzungen musste Artemisia umgehend eingeschläfert werden. Die Untersuchungen ergaben, dass der Vogel offensichtlich sitzend angeschossen wurde. Die Kugel durchschlug beide Beine und trennte diese nahezu ab. Offene Brüche und ein massiver Blutverlust waren die Folge.
Es blieb nichts Anderes übrig, als die Kaiseradlerdame umgehend einzuschläfern und von ihren Qualen zu erlösen. Wir haben in den vergangenen Jahren viele grausame Fälle illegaler Greifvogelverfolgung erlebt, aber der Tod dieses Kaiseradlers ist besonders abstoßend und brutal! Noch dazu wurde Kaiseradler Artemisia in einem Jagdrevier im Gemeindegebiet Zurndorf im Burgenland gefunden, aus dem in der jüngeren Vergangenheit bereits mehrere Fälle illegaler Wildtierverfolgung gemeldet wurden. Die Abschüsse einer Rohrweihe, eines Mäusebussards sowie das Aufstellen illegaler Fallen wurden bereits zuvor bei der Polizei zur Anzeige gebracht. Jedoch konnte bisher kein*e Täter*in ausgeforscht werden. Die polizeilichen Ermittlungen in diesem Fall laufen.
Erforderliche Gesetzesänderungen
Zahlreiche Ornitholog*innen haben Artemisia am Flugweg begleitet und zum 1. Mal einen Kaiseradler beobachtet. Dieser Vorstoß in den Westen war außergewöhnlich und ist ein Zeichen für die Erholung des mitteleuropäischen Bestands – wenn ihnen die illegale Verfolgung keinen Strich durch die Rechnung macht.
Daher fordern wir: Sämtliche Greifvögel Österreichs sollen zukünftig über die Naturschutzgesetzgebung erfasst werden und nicht über die Jagdgesetze! Nur so ist es möglich, illegale Verfolgungsfälle effizient zu bearbeiten und möglichen Verschleierungen vorzubeugen. In Gebieten mit wiederholten Übergriffen soll die Behörde unabhängige Jagd- und Naturschutzorgane zur Vorbeugung einsetzen! Darüber hinaus braucht es Verbesserungen bei der Strafverfolgung sowie entsprechende Ressourcen für die Ermittlungsarbeit der Exekutive.
Schwere Straftat (– Erlass des BMJ)
Die Tötung geschützter Arten ist in der Europäischen Union nicht nur als Verwaltungsübertretung zu ahnden. Wenn laut Vogelschutzrichtlinie streng geschützte Arten betroffen sind und eine Tat negative Auswirkungen auf den Bestand hat, ist sie von der Staatsanwaltschaft als Straftat zu behandeln. Ein vom Justizministerium – unter fachlicher Mitarbeit von BirdLife Österreich, dem Umweltbundesamt und dem BMK – erarbeiteter Erlass regelt seit September 2022 nun, ab wann Übergriffe auf geschützte Arten gerichtlich zu verfolgen sind. Hier wird klargestellt, dass bereits die Tötung eines einzelnen Kaiseradlers mit bis zu zwei Jahren Haft zu bestrafen ist.
Auch der Schütze, der Artemisia ins Visier genommen hat, muss im Falle seiner Ausforschung also mit einer gerichtlichen Strafe rechnen. Wir freuen uns über diesen Schritt, der eine schnellere und gezieltere Verfolgung von Gesetzesübertretungen ermöglicht und hoffentlich zu mehr Verurteilungen führt.
Fotos © M.Schmidt, K. Stergios, P. Lorge, J.-F. Beata
Verdachtsfälle (anonym) melden
Verdachtsfälle können über unsere Meldeplattform Kaiseradler.at, die App „birdcrime“ oder die birdcrime-Hotline +43 660 869 2327 oder birdcrime@kaiseradler.at bekanntgegeben werden! Bei anonymen Hinweisen gilt, diese so detailliert wie möglich abzugeben, um eine entsprechende Strafverfolgung zu ermöglichen.
In Mitteleuropa ist die illegale Verfolgung von Greifvögeln die Todesursache Nummer Eins.
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