Alte Bäume und Obstbäume
Erhalten wir das, was sich über Jahrzehnte entwickelt hat
Alte Bäume bieten Vögeln geeignete Nistmöglichkeiten, dienen als Singwarten, tragen zum Nahrungsangebot bei und stellen wichtige Versteckmöglichkeiten dar. Vor allem Obstbäume haben einen großen Stellenwert im Ökosystem und sollten in keinem Garten fehlen. Zudem spenden Sie uns Menschen Schatten an heißen Sommertagen und sind eine attraktive Augenweide.
Eine Nahrungsquelle rund ums Jahr
Im Frühling reifen bereits Ulmensamen, sie stellen eine beliebte Nahrung für Girlitz und Bluthänfling dar. Auch die Knospen von Laubbäumen sind für viele Vögel bereits früh im Jahr eine tolle Nahrungsquelle. Das Nektar- und Pollenangebot heimischer, blühender Bäume lockt zahllose Insekten an. Steht man im Frühsommer unter Linden, kann das Summen und Treiben der blütenbesuchenden Insekten mitunter bemerkenswert sein! Aber nicht nur die Blüten, auch die Blätter der Bäume werden von Insekten genutzt (z.B. Schmetterlingsraupen).
Verständlich, dass all das eine optimale Nahrungsquelle für alle Insektenfresser unter den Gartenvögeln ist. Besonders zur Jungenaufzucht nimmt das tierische Eiweiß einen wichtigen Stellenwert ein! Ab dem Frühsommer ziehen Vogelkirschen und Traubenkirschen fruchtfressende Vögel wie z. B. Stare, Kernbeißer, Amseln aber auch Elstern an.
Selbst Insektenfresser wie Grasmücken bereichern ihren Speisezettel jetzt mit frischen Früchten. Im Herbst schmecken bevorzugen vielen Arten die Beeren der Eberesche, auch Vogelbeere genannt. Die gelbe bis orange Herbstfärbung der Beeren ist auch für Menschen schön anzusehen. Ab dem Herbst bieten zudem die kleinen Samen von Birken oder Erlen eine Stärkung für Erlenzeisig und andere kleine Finken. Für überwinternde Stieglitze sind Platanensamen besonders attraktiv. Größere Baumsamen wie jene von Buchen, Hainbuchen oder Ahorn erfreuen vor allem Buchfink, Bergfink oder Kernbeißer. Nicht zu unterschätzen sind auch Insekten und deren Larven, die die kalte Jahreszeit in Rindenspalten versteckt verbringen und als wichtige Winternahrung für Kohlmeise, Kleiber und Co. dienen!
Mehr Strukturvielfalt im Alter
Jede Baumart hat charakteristische Merkmale wie Wuchsform, Wuchsgeschwindigkeit, Borkenbeschaffenheit und Ansprüche an den Standort. Allen Baumarten ist aber gemeinsam, dass sich mit zunehmendem Alter immer mehr Risse, Wasserlöcher, Bruchstellen und Höhlen ausbilden. Diese Strukturen sind „Mikrohabitate“, sie stellen also eigene, kleine Lebensräume dar. In den Rissen der Borke leben nicht nur Insekten und Spinnentiere, die den Vögeln als Nahrung dienen, sondern Vögel wie der Garten- und Waldbaumläufer bauen sogar ihre Nester unter der Baumrinde.
Höhlenbrüter wie Kohlmeise, Blaumeise oder Kleiber nutzen Baumhöhlen als Brutstätten. Auch Spechte bevorzugen alte Bäume mit angewitterten Rindenstellen zum Höhlenbau. Das Holz ist an diesen Stellen weicher und lässt sich leichter bearbeiten. Darüber hinaus bieten alte Bäume aufgrund der größeren „Höhlenwandstärke“ ein stabileres Wohnklima. Eichen Quercus sp. wachsen langsam, sind strukturreich und können sehr alt werden - viele Insektenarten haben sich auf diesen „Alleskönner“ spezialisiert. Eichen bieten von der Wurzel bis zur Krone Brut-, Rast- und Nahrungsstätte für diverse Tiere und Pflanzen.
Streuobstwiesen für seltene Arten
Streuobstwiesen bereichern seit Jahrhunderten die traditionelle österreichische Landwirtschaft. Dieser stark bedrohte Lebensraum zeichnet sich durch mittel- bis hochstämmigen Obstbäume aus, die in einem größeren Abstand gepflanzt wurden. Die Wiesen darunter werden gemäht oder beweidet.
Der Insektenreichtum und das große Angebot an natürlichen Bruthöhlen ist ein Magnet für seltene Vogelarten! Je nach Region fühlen sich Wiedehopf, Gartenrotschwanz, Wendehals, Zwergohreule und Steinkauz in Streuobstwiesen sehr wohl. Wer eine Streuobstwiese besitzt, sollte glücklich sein und alles daransetzen, diese auch weiterhin zu erhalten.
Um die Bäume vital zu halten, ist eine regelmäßige Pflege unerlässlich. Setzen Sie immer wieder auch junge Bäume nach. Alte, abgestorbene Obstbäume sind für Vögel als stehendes Totholz immer noch ein wertvoller Brutraum. Ein umgestürzter Baum oder heruntergebrochener Ast („liegendes Totholz“) wiederum ist dank der holzzersetzenden Insekten eine tolle Nahrungsquelle.
Fallobst bitte hängen und liegen lassen
Bereits einzelne Obstbäume sind von großer Bedeutung! Im Herbst plumpsen Äpfel und Birnen von den Bäumen – wahre Delikatessen für Insekten, Säugetiere und Vögel. Vor allem Amseln, Wacholderdrosseln, Rotdrosseln, Rotkehlchen und Heckenbraunellen schätzen Fallobst.
Bitte lassen Sie daher die Früchte, die Sie nicht selbst für den Verzehr brauchen oder nicht verwerten können, so lange liegen, bis sie verfault sind oder – idealerweise – sich nach einigen Wochen völlig zersetzt haben. Die wichtigen Nährstoffe, die durch diesen natürlichen Prozess in den Boden gelangen, stärken die Obstbäume im nächsten Jahr.
Alte Nadelbäume erhalten
Die übermäßige und einseitige Verwendung von pflegeleichten, oft exotischen Koniferen im Garten wird zu Recht mit naturfeindlicher Gartengestaltung in Verbindung gebracht. In einzelnen Nadelbäumen, vor allem, wenn sie älter und idealerweise mit Efeu bewachsen sind, finden jedoch vielen Vogelarten gut gedeckte Brut- und Rastplätze. Die Erhaltung alter Fichten, Föhren oder einzelstehenden Thujen im Garten macht daher durchaus auch aus Naturschutzsicht Sinn. An Koniferen-Nachwuchs mangelt es in unseren Siedlungen aber meist nicht und so werden Naturgärtner sinnvollerweise besser Laubbäume fördern als die nächste junge Blaufichte zu pflanzen.
Nur notwendigen Baumschnitt durchführen
Aus Sicherheitsgründen kann es notwendig werden, Bäume zurückzuschneiden oder gar zu entfernen, z. B. wenn ein morscher Baum neben einem Gehweg steht. Professionelle Baumpfleger können hier Rat geben, wie Bäume mit einem gesunden Schnitt vorausschauend gepflegt und erhalten werden können. Je nachdem, um welche Baumart es sich handelt, empfiehlt sich eine andere Jahreszeit zum Baumschnitt. Bitte beachten Sie aber stets, dass in der Brutzeit bzw. zwischen 1. März und 30. September keine Bäume und Sträucher geschnitten werden sollten, um das Brutgeschehen keinesfalls zu stören!
Falls es notwendig ist, einen ganzen Baum zu entfernen, empfehlen wir nach Möglichkeit einen 1-2 Meter langen „Stumpf“ stehen zu lassen. Dieser kann unterschiedlichen Insekten als Wohnort dienen und im Zuge dessen vielen Vögeln als wichtige Nahrungsquelle. Alte Spechtbäume können so auch noch als wertvolle Brutplätze für Höhlenbrüter erhalten bleiben. Mit Kletterpflanzen können die übrig gebliebenen Stämme attraktiv gestaltet werden, sodass sie noch mehr für die Artenvielfalt leisten. Totholz vom Baumschnitt, das in einer „Wilden Ecke“ abgelagert wird und dort vermodern darf, wird ebenfalls zum natürlichen Insektenhotel und bereichert so jeden Garten.
Für die nächste Generation
Übrigens – jeder alte Baum war einmal ein kleiner, schmächtiger Jungbaum. Wenn Sie also einen Garten ohne Baumbestand neu gestalten, sehen Sie es als Chance an, jetzt für die nächsten Jahre, ja Jahrzehnte vorzusorgen. Einige Arten wachsen auch recht schnell und bieten schon in jungen Jahren attraktive Nahrungsquellen für Vögel – Ebereschen (auch Vogelbeeren genannt) gehören zum Beispiel dazu und sind überdies bei unseren gefiederten Gästen besonders beliebt. Bedenken Sie bitte auch, dass jeder Baum Zeit zum Wachsen braucht und ein alter Baum niemals durch einen Jungbaum einfach ersetzt werden kann. Alte Bäume haben nicht nur Charakter, sondern sind von äußerst hohem, ökologischen Wert!
Fotos © u. a. kn1/iStock, R. Mann, V. Brachmayer, L. Lugerbauer, A. Tschögele