Vom Weinviertel bis Griechenland: Die faszinierenden Reisen österreichischer Kaiseradler
PRESSEAUSSENDUNG
BirdLife Österreich berichtet über erfolgreiches Artenschutzprogramm
Wien, 05.12.2024 – Vor 26 Jahren kehrte der Kaiseradler nach über 200 Jahren Abwesenheit als Brutvogel nach Österreich zurück. Gnadenlose Verfolgung durch Abschüsse und Gift sowie der Einsatz von Pestiziden brachten ihn in ganz Mitteleuropa an den Rand des Abgrunds. Doch nicht zuletzt aufgrund von Schutzbemühungen haben sich die Bestände in den letzten 25 Jahren unverhofft gut entwickelt. Dennoch ist er mit rund 50 Brutpaaren immer noch eine sehr seltene Vogelart und gilt als gefährdet. BirdLife Österreich arbeitet unermüdlich für den Schutz der majestätischen Adler und hat dank intensiver Forschung genaue Einblicke in ihr Leben und ihre Wanderbewegungen. Die Tiere legen zum Teil enorme Strecken zurück (oft über 300 Kilometer am Tag und zum Teil mehr als 50.000 Kilometer bis zur Ansiedlung als Brutvogel). Die mit Sendern versehenen österreichischen Adler besuchten seit Beginn schon 24 europäische Länder.
Seit der Rückkehr des Kaiseradlers als Brutvogel nach Österreich im Jahr 1999 setzt sich die Natur- und Vogelschutzorganisation BirdLife Österreich für den Schutz dieser weltweit bedrohten Art ein. Um einen erfolgreichen Schutz des Kaiseradlers auf nationaler und internationaler Ebene zu ermöglichen, wird auch das nötige Grundlagenwissen gesammelt: Neben den Brutstandorten werden auch der Bruterfolg, die Jungenanzahl, die Todesursachen sowie die Nahrung und der Lebensraum der seltenen Adler-Art untersucht. .
Spannende Einblicke
Aufschlussreiche Einblicke in das Leben der Kaiseradler konnten durch den Einsatz von GPS-Sendern gewonnen werden: Die kleinen, nur wenige Dutzend Gramm schweren Sender, die der Vogel an einer Art Rucksack trägt, ermöglichen es den Greifvogelexpert:innen von BirdLife Österreich, ihn punktgenau zu verfolgen. Insgesamt wurden bisher mehr als 50 Jungadler am elterlichen Horst kurz vor dem Flüggewerden mit GPS-Sendern ausgestattet. Durch die Besenderung können nicht nur Gefährdungsursachen wie illegale Verfolgung durch den Menschen erkannt, sondern auch die individuellen Reisen und Lebensgeschichten unserer heimischen Kaiseradler nachvollzogen werden.
Individuelle Lebensgeschichten
„Eine der ersten Erkenntnisse war, dass sich das Verhalten der Kaiseradler von Tier zu Tier stark unterscheidet. Während der eine Jungvogel im ersten Winter nach Griechenland fliegt, verbringt der andere einen Großteil seiner Zeit im Weinviertel“, weiß Matthias Schmidt von BirdLife Österreich. „Jeder dieser Lebenswege ist eine Geschichte für sich“. Dass diese oft nicht glücklich enden, zeigt die hohe Todesrate durch illegale Verfolgung.
„Der Abschuss von Artemisia, die zuvor über halb Europa geflogen ist und mit ihrem Anblick viele Menschen erfreut hat, war sicher eine der traurigsten Lebensgeschichten“, so Schmidt. Es gibt aber auch sehr schöne, wie jene der Kaiseradler-Dame Esperanza, welche 2024 bereits in ihrem 12. Lebensjahr ist und neun Jungvögel erfolgreich erbrütet hat.
Vor allem in den ersten Jahren sind die jungen Kaiseradler sehr umtriebig. So besuchte etwa der Kaiseradler Rudi seit dem Verlassen des elterlichen Reviers im Jahr 2023 bereits 12 Länder und legte dabei mehr als 30.000 Flugkilometer zurück. Tagesflugstrecken von über 300 Kilometern sind dabei keine Seltenheit.
1.9 Millionen Kilometer Flugwege
Insgesamt legten die Kaiseradler mehr als 1.9 Millionen Kilometer zurück und besuchten dabei 24 Länder über ganz Europa verteilt. Diejenigen, die nicht illegaler Verfolgung, Kollisionen oder anderen Todesursachen zum Opfer fallen und die Jugendjahre überleben, werden nach Erreichen des brutfähigen Alters sesshaft und beziehen ein eigenes Revier. Die in Österreich geschlüpften und besenderten Jungvögel taten das vor allem in Österreich, aber auch in den Nachbarländern Slowakei, Tschechien und Ungarn. Die Reviergrößen der brütenden Kaiseradler variieren sehr stark, können sich aber über mehrere hundert Quadratkilometer erstrecken. Die unterschiedlichen Persönlichkeiten sind auch hier gut erkennbar. Während manche Individuen ihre tägliche Routine haben und nur sehr kleinräumig unterwegs sind, gibt es andere, welche auch als Brutvogel immer wieder lange Erkundungsflüge über hunderte Kilometer unternehmen.
Eine Erfolgsgeschichte im Vogelschutz
Die Rückkehr des Kaiseradlers ist sicherlich eine der Erfolgsgeschichten für den Vogelschutz in Österreich. „Viele Menschen haben unsere Arbeit in den vergangenen Jahrzehnten in unterschiedlichster Form unterstützt. Von den engagierten Vogelkundler:innen, den Landnutzer:innen und diversen Projektpartnern bis hin zu den Spender:innen. Ihnen allen gebührt Dank, denn ohne deren Hilfe wäre Vieles nicht möglich gewesen, was dem Kaiseradler die Rückkehr nach Österreich erleichtert hat.“, so Gábor Wichmann, Geschäftsführer von BirdLife Österreich.
Trotz der erfreulichen Entwicklung ist die Population mit rund 50 Brutpaaren noch vergleichsweise klein und fragil. Der Kaiseradler muss daher nach wie vor als gefährdet gelten und hat noch keinen günstigen Erhaltungszustand erreicht. Illegale, menschliche Verfolgung und der Ausbau von Windkraftanlagen in Kerngebieten stellen aktuell die beiden größten Bedrohungen für die Art dar. BirdLife Österreich wird sich daher auch weiterhin für den Kaiseradler einsetzen. Sei es mit der konsequenten Bekämpfung illegaler Greifvogelverfolgung wie aktuell im wildLIFEcrime-Projekt (https://wildlifecrime.info) oder durch die konstruktive Mitgestaltung einer naturverträglichen Energiewende.
Hintergrund
Der Kaiseradler (Aquila heliaca) zählt zu Österreichs herausragenden Naturgütern. In den vergangenen beiden Jahrhunderten hatte der Greifvogel einen schlechten Stand in Mitteleuropa und wurde rigoros verfolgt. Ende der 1980er lebten nur noch wenige Dutzend Paare in Ungarn und der Slowakei. Erst durch intensive Schutzbemühungen erholten sich seine Bestände und Ende der 1990er kehrte der majestätische Adler als Brutvogel nach Österreich zurück, wo er knapp 200 Jahre als ausgestorben galt. Kaiseradler sind in Österreich und der gesamten Europäischen Union streng geschützt und global gefährdet.
BirdLife Österreich setzt sich im Rahmen des EU-geförderten „wildLIFEcrime“-Projekts (LIFE22-GIE-DE-wildLIFEcrime) gemeinsam mit 12 Projektpartnern aus Deutschland und Österreich (darunter Bundeskriminalamt, WWF und Vetmeduni) gegen die illegale Tötung von Wildtieren ein. Wenn Sie einen verletzten oder toten Greifvogel gefunden haben und Wildtierkriminalität vermuten, melden Sie dies bitte unter 0660 869 23 27 (auch anonym) bzw. meldung@wildlifecrime.at. Beigefügtes Foto steht Ihnen bei Angabe des angeführten Fotoautors © und im Zusammenhang mit dieser Aussendung zur Verfügung. Weitere Materialien finden Sie im Pressedownloadbereich.
Rückfragehinweis
Matthias Schmidt, Projektleiter BirdLife Österreich Mobil: +43 650 273 49 65 matthias.schmidt@birdlife.at