Seit 1998 ist der Bestand der Turteltaube in Österreich um über 70 Prozent zurückgegangen. In anderen Ländern Europas, wie Deutschland und Großbritannien, sind die Bestände sogar um über 90 Prozent eingebrochen. Mittlerweile wird sogar der gesamte Weltbestand der Art als „gefähret“ von der IUCN eingestuft. Gleichzeitig wurden in der EU lange Zeit jährlich zwischen 1,4 und 2,2 Millionen Turteltauben durch legale Jagd getötet. Doch in den letzten Jahren kommt aufgrund der besorgniserregenden Bestandssituation Bewegung in die Debatte um weitere Jagdbeschränkungen. Am Zugweg der westeuropäischen Population gilt seit 2021 ein vollständiges Jagdmoratorium, das bereits erfreuliche Effekte zeigt. Am Zugweg der zentral-osteuropäischen Population hingegen, auf dem auch Österreich liegt, wurden zwar die Abschusszahlen reduziert, trotzdem sinkt der Bestand der Turteltaube weiter.
Ein Bundesland nach dem anderen
Vor dem Hintergrund dieser traurigen Situation übten zu Beginn der Schusszeit im Sommer 2023 BirdLife Österreich und das „Volksbegehren für ein Bundesjagdgesetz“ medial massive Kritik an der Bejagung der Turteltaube, die auch hierzulande in drei Bundesländern erlaubt war. Doch zumindest mit dem legalen Abschuss der Art ist vorerst Schluss: Als erstes Bundesland reagierte das Burgenland unmittelbar im Rahmen der medialen Berichterstattung und kündigte eine ganzjährige Schonung an. Im Frühjahr 2024 folgte nun auch Niederösterreich mit einer Änderung der Jagdverordnung.
Als letztem Bundesland bleibt nun Wien, das seine Absicht zur Schonung schon vor Jahren kommuniziert hat, nur mehr wenig Zeit, die Schonzeitenverordnung bis Beginn der heurigen Jagdsaison am 1. September zu reparieren.
Die Wirksamkeit eines Bejagungsverzichts zeigt sich eindrucksvoll entlang der westeuropäischen Zugroute (Frankreich, Spanien, Portugal & Nordwest-Italien): Auf Basis einer Empfehlung der EU-Kommission wurde 2021 ein vollständiges Moratorium für die Turteltaubenjagd beschlossen. Die Bestände, die mehr als eine Dekade Jahr für Jahr gesunken sind, stiegen seitdem wieder um erstaunliche 25 Prozent. Obwohl die Turteltaube natürlich ebenso unter der Verschlechterung ihrer Lebensräume leidet, zeigt das sehr deutlich, dass die zusätzliche Sterblichkeit durch die Bejagung zumindest in Westeuropa einen starken Einfluss auf die Bestandsentwicklung hat.
Östliche vs. westliche Zugroute
In betontem Kontrast dazu steht leider die östliche Zugroute, zu der auch Österreich gehört. Hier wurde aufgrund eines stabilen Kurzzeittrends zunächst eine Halbierung der Jagdquote vorgeschlagen, gefolgt von einer Null-Entnahme-Politik in den Jahren 2022 und 2023. Zwar berichten alle betroffenen Länder eine Reduktion der Entnahmezahlen, ganz eingestellt wurde die Bejagung aber bisher nirgends völlig. Im Gegensatz zum westlichen Zugweg ist der Bestand der Turteltaube in Zentral- und Osteuropa nun sogar weiter gesunken.
In Bezug auf die behauptete Reduktion der Abschusszahlen sind zumindest die österreichischen Angaben vollkommen falsch: Trotz des angeblichen Abschusses von 1.104 Turteltauben 2023 wird eine „Reduktion“ um 86 % errechnet.
Mangels realer Abschusszahlen (diese wurden bisher nicht auf Artniveau erhoben) wurde der „Ausgangswert“ nämlich auf abwegige 7.800 Turteltauben pro Jahr im Zeitraum 2013-2018 gesetzt, bei einem Gesamtabschuss von etwa 15.000 Wildtauben pro Jahr also viel zu hoch. Tatsächlich dürften zuletzt jährlich nur mehr etwa 100–200 Turteltauben geschossen worden sein.
Für die Jagdsaison 2024 kann Österreich nun aber hoffentlich mit gutem Gewissen eine hundertprozentige Reduktion behaupten. Spät, aber immerhin doch als erster Staat am östlichen Zugweg setzt unser Land hier nun ein wichtiges Zeichen und wirkt damit auch als Vorbild für weitere Länder, in denen die Turteltaube nach wie vor jagdbar ist. Wir hoffen, dass insbesondere am für die Art so bedeutenden Balkan mehr Gebiete zu sicheren Rastplätzen werden und alle Staaten die Bejagung ausreichend einschränken, bevor es für die Turteltaube zu spät ist.